In dieser Rubrik zeigen wir

  • Fahrzeuge, die fachmännisch restauriert werden
  • Feingeschliffene Triebwerke
  • Sorgfältig instand gesetzte Komponenten
  • Die hohe Schule der Karosseriebaukunst
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Aus einem vom Rübenacker geborgenen Volvo 1800S entsteht das Traumfahrzeug. Lesen wir den Bericht von Dirk Polzer:

Metal Styling Polzer

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Im desolaten Zustand entdeckt, wird der Prototyp FRUA P958-X3 rekonstruiert.

Mr X3, der Besitzer,  beschreibt wie in minutiöser Feinarbeit ein Meisterstück entsteht. Nur nach umfangreichen Recherchen, mit besten fachlichen Kenntnissen und Beharrlichkeit kann dieses Ziel erreicht werden.

Armaturenbrett, vermutlich Wassertransferdruck Wurzelholz Design

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Dietmar Eder aus Pichl bei Wels (AT) beschreibt für uns wie er einen Volvo 1800S kaufte, sorgfätig revidierte, von fleissigen Händen unterstützt, und sich nun wie Simon Templar im Dienstfahrzeug fühlt. Mögen ihm am Strassenrand die Mädels zuwinken, - und nicht die Mannen vom Trachtenverein ...

Mit meiner Pensionierung im August letzten Jahres wurde die Idee, einen zweiten Oldtimer anzuschaffen, immer mehr zu einem konkreten Vorhaben. Da ich mit meinem MG B Roadster die letzten 5 Jahre grossteils „oben ohne“ geniessen konnte, sollte die Neuanschaffung sinnvollerweise ein geschlossenes Fahrzeug sein. Natürlich wird so ein Vorhaben auch mit den Clubkollegen diskutiert. Der eine sah mich bereits mit einem Lancia Integrale als Starter bei einem Bergrennen, der andere ganz gemächlich in einem stilvollen Mercedes 190 Ponton auf den Landstrassen dahin cruisen. Mein Clubkollege und Freund Eduard sah mich natürlich in einem Volvo. Für mich sollte es aber etwas Sportliches sein. So versorgte er mich laufend mit Artikeln und Willhaben-Inseraten über den Volvo P1800, ein schickes Coupé, der von 1961 bis 1972 mit einer Stückzahl von 39.407 produziert wurde. Die weltweite Bekanntheit dieses Modells ist der Serie „The Saint“ geschuldet, wo Roger Moore als Serienheld Simon Templar einen Volvo P1800 als Dienstwagen fuhr.

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Bekanntlich höhlt der stete Tropfen den Stein, sodass spätestens beim Messebesuch in Salzburg, wo ich einen Volvo 1800S erstmals hautnah sah, letztendlich auch der Funke übergesprungen war. Wie es der Zufall so wollte, ergab sich an diesem Tag auch noch ein Kontakt mit dem Volvo-Spezialisten Ernst Amon, der einen P1800 S fast drei Jahrzehnte in seiner Werkstätte servicierte und dessen 80-jähriger Besitzer sich nun mit dem Gedanken trage, sich von seinem Oldtimer zu trennen. So wurden die Kontaktdaten ausgetauscht mit dem Verbleib, dass Ernst sich bei mir melde, sofern es mit dem Verkauf tatsächlich konkret werde. Die Monate vergingen bis ich Anfang Dezember einen Anruf erhielt, dass Ernst den Volvo bereits bei sich habe, jedoch vor einem Besichtigungstermin noch Einiges zu tun sei (Reifen und Achsträger wurden erneuert, ein Parkschaden repariert, Zierleisten ausgetauscht usw.). Ende Jänner erhielt ich die ersten Fotos vom Volvo 1800S, Modelljahr 1969, B-20-Motor, 105 PS in der Farbe „California weiss“ mit roter Lederausstattung, die ich sofort meiner Familie zeigte.

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Die erste Reaktion meiner Tochter Vera war: „Dieser Oldtimer wird mein Hochzeitsauto!“ Natürlich drängte ich auf einen zeitnahen Besichtigungstermin! Wenige Tage später machte ich mich bereits um 7.00 Früh mit meinen zwei Clubkollegen, die als technische Berater fungierten, auf den Weg nach Hafnerbach.

Die Fotos hatten jedoch leider einen optisch besseren Eindruck vermittelt als es dann schlussendlich, als ich den Volvo vor mir sah, tatsächlich der Fall war. Diesem formschönen Coupe wurde wohl in den letzten Jahren bei der Pflege keine grosse Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Das Fahrtenbuch bestätigte meine Vermutung: der Vorbesitzer war altersbedingt nur noch wenige Tage im Jahr damit unterwegs. Allerdings führte ihn eine Strecke einmal jährlich nach Hafnerbach in die Volvo-Werkstätte, wo der Oldtimer serviciert wurde und zu meiner Freude auch kürzlich noch die rote Plakette für historische Fahrzeuge bis Juli 2025 erhielt. Der 1800S wurde auf die Hebebühne gehievt und vom KFZ-Meister meines Vertrauens genau inspiziert.

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Der Vorderachsträger hat leider die bekannten Schäden

Das „schwedische Blech“ sowie der Unterboden waren insgesamt in einem guten Zustand, die Traggelenke waren neu. Eine tiefgehende Reinigung des Fahrzeugs, sowie des Unterbodens würden beim Kauf auf meiner „To-Do”-Liste stehen, wie auch die Nachrüstung von Nackenstützen und der Einbau von Rollgurten. Der Motor liess sich nicht lange bitten und lief rund und ruhig. Bis auf die analoge Uhr funktionierten die schönen Chromarmaturen einwandfrei.

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Ernst und mein technischer Berater machten sich nun auf zur Probefahrt, um allfällige Mängel (Bremse, Lenkung, Kupplung, Overdrive) für mich auszuschliessen. Zurück am Standort nickte mir der Clubkollege beim Aussteigen zu und zeigte sich ob des Fahrverhaltens des durchzugsstarken B20-Motors (einer der letzten ausgelieferten Modelle mit Doppelvergaser und 105 PS) sogar positiv.

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Auch mich begeisterte schon nach wenigen Kilometern das Fahrverhalten, die gute Bremskraftunterstützung, das weich eingreifende Overdrive Planetengetriebe und die starke Motorleistung. Da keine grösseren technischen Mängel gefunden wurden, die Innenausstattung mit rotem Leder sehr schick aussah und es eigentlich nur einer Intensivpflege bedurfte, der Oldtimer bereits historisch zugelassen war und der Preis fair war, fiel die Kaufentscheidung positiv aus. Zur Fixierung des Kaufs wurde gleich eine Anzahlung gemacht. Da sich der Verkäufer aber am nächsten Tag auf eine dreiwöchige Urlaubsreise begab, hiess es wieder warten, bis ich meinen Neuzugang abholen durfte

Gemeinsam mit meinem Freund Eduard – und nun auch Volvo-Markenkollege – besuchten wir tags darauf schon die für Volvo-Ersatzteile einschlägigen Onlineshops wie VP Autoparts, Skandix AG, Buttkereit und Nordicar. Nachrüstsätze für Nackenstützen, Rollgurte, Nebelscheinwerfer, Tür- und Motorhaubendichtung, Instrumentenuhr und die passenden Öle für Motor, Getriebe und Hinterachse wurden sukzessive aus Schweden, Deutschland und Holland angeliefert.

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Am 20. Februar war es dann endlich soweit und wir konnten den P1800 S endlich mit dem Fahrzeuganhänger abholen. Nach der Anmeldung auf ein Wechselkennzeichen (gemeinsam mit dem MGB) wurden die nächsten Tage von und bei einem Oldtimerprofi genutzt, um alle Öle zu wechseln, Servicearbeiten durchzuführen, sogenannte Stromräuber zu eliminieren und Sportluftfilter und das Retro-Radio zu verbauen. Heizungs- und Lüftungshebeln waren zumeist fest und die Seilzüge mussten auch erst wieder gängig gemacht werden. Der Wagenheber und die Reserveradfelge (Reifen war aus 1972) wurden zum Sandstrahlen gebracht. Der Sattler kümmerte sich bei den ausgebauten Sitzlehnen um die Nachrüstung der Nackenstützen.

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Hier hatte ich Glück beim schwedischen Lieferanten, der die Lederbezüge im Originalfarbton lagernd hatte. Um dem Dienstwagen von Simon Templar im Aussehen möglichst nahe zu kommen, wurden Nebelscheinwerfer verbaut und Alufelgen im Minilite-Design samt 185er Bereifung beim Tuningcenter Bernhard Jahn in Freistadt in Auftrag gegeben. In den darauffolgenden Wochen richtete sich der Fokus auf die tiefgehende Reinigung des gesamten Fahrzeugs. Vordersitze, Rücksitzbank und alle Seitenverkleidungen wurden ausgebaut. Manchmal hatte ich den Eindruck, die Verschmutzung von mehr als 20 Jahren an verschiedenen Stellen wie der A-Säule, den Türgelenken, sowie im Kofferraum zu beseitigen. Der gute Zustand der Schwedenbleche verblüffte mich aber immer wieder. Bei meinen Reinigungsarbeiten stellte sich aber auch heraus, dass, um ein für mich stimmiges Gesamtbild zu erreichen, diverse Teile einfach zu erneuern waren. So wurden beide Sonnenblenden samt Halterungen bestellt und die Spiegelköpfe ausgetauscht.

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Die Sitzspanngurte waren völlig durchgesessen. Eigentlich sollte die Montage neuer Sitzspanngurte (in Originalqualität) keine grosse Sache sein, allerdings scheiterten wir zu zweit an einem absolut nicht dehnbaren Material, um die Gurthaken am Sitzgestell haltbar und richtig zu verankern. Massgefertigte Gurte vom Sattler schufen als Alternative die gewünschte Abhilfe.

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Mit der Demontage der Türverkleidungen wurden auch gleich sämtliche Gelenksteile der Fensterheber geschmiert und die Laufleisten mit Silikonspray behandelt. Die Verkleidungsteile wurden – wie auch die Ledersitzpolster - mit Pflegeschaum und Bürste gereinigt und mit Pflegecreme eingelassen und erscheinen nun im neuen Glanz. Leider hat der Vorbesitzer im Motorraum mit einer Spraydose ziemlich unmotiviert diverse „Ausbesserungsarbeiten“ vorgenommen, denen in weiterer Folge noch eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen ist. Der Motorraum wurde durch Bestrahlung mit Trockeneis gereinigt, sodass auf dieser Basis kleinere Teilflächen wie zum Beispiel der Batteriekasten neu lackiert werden können.

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Bremskraftverstärker, Teleskopschiene und Batteriehalterung zeigten sich schon in schöner mattschwarzer Lackierung. Auch musste ich einsehen, dass die vergangenen 55 Jahre am Innenteppich ihre Spuren durch Abnutzung und Sonneneinstrahlung hinterlassen haben und dieser nicht mehr zu retten war. Mit Tapis-Deluxe fand ich nach Abgleich eines Musters einen geeigneten Lieferanten für bordeauxrote Innenteppiche und Fussmatten, welche ich bis Ende April erwarte. Der Einarbeitung der neuen Teppiche mit den zahlreichen Druckknöpfen sehe ich noch mit etwas gemischten Gefühlen entgegen. Kofferraumboden und -wände wurden von diversen Konservierungsmitteln mit Bremsenreiniger befreit und neue Verkleidungsinnenteile angebracht. Dies war optisch ein echter Gewinn.

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Für die Sicherheitsgurte wurden die originalen Schlosszungen übernommen

Beim Einbau der vorderen Sitzgestelle und Montage von Lehnen und Sitzpolstern erhielt ich tatkräftige Unterstützung von meiner Tochter Johanna. Anschliessend belohnten wir uns noch mit einer kleinen Ausfahrt in der Abendsonne. Mit Blick auf die gediegene Instrumentengalerie fühlte ich mich den späten 60er-Jahren sehr nahe sowie dankbar, einen von ca. 130 in Österreich noch existenten Volvos vom Modell P1800 selbst mein Eigen nennen zu dürfen.

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Mein Dank richtet sich an meinen Freund Eduard und jene beiden Clubkollegen, welche mich bei meinem Volvo-Projekt beraten und technisch unterstützt haben, und mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden sind.

Der Bericht von Dietmar Eder wurde zuerst veröffentlicht in der Clubzeitschrift des O.Ö.Motor-Veteranen-Club - OÖMVC.